Die unglaubliche Geschichte des Tomatenfisches!

Fragen und Antworten zum Thema: Der Fisch in seiner natürlichen Umgebung Verhalten, Habitat, Nahrung und Besatzmassnahmen/Bewirtschaftung.
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Rolf
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Die unglaubliche Geschichte des Tomatenfisches!

Beitrag von Rolf »

Die unglaubliche Geschichte des Tomatenfisches!

<< Allein die Wahnsinns-Abkürzung INAPRO liess mich erfürchtig erschauern! >>

Eigentlich ist das Thema „Essen und Trinken“ in den Petri News dem HRH vorbehalten, was aufgrund der entsprechenden Kernkompetenzen durchaus Sinn macht. Nun bin ich allerdings im Web auf eine Pressemitteilung gestossen, die mich veranlasst, mein übliches Themenfeld etwas auszuweiten.

Die besagte Mitteilung begann mit folgendem Satz: „In dem auf vier Jahre angelegten Vorhaben INAPRO (“Innovative model & demonstration based water management for resource efficiency in integrated multitrophic agriculture and aquaculture systems”) werden in Deutschland, Spanien, Belgien und China vier grosse Aquaponik-Demonstrationsanlagen auf jeweils rund 500 Quadratmeter zunächst modelliert, dann gebaut und evaluiert“. Allein die Wahnsinns-Abkürzung INAPRO liess mich ehrfürchtig erschauern – meine Neugier war geweckt.

Um was genau geht es also: Der Terminus Aquaponik setzt sich aus den Begriffen Aquakultur (Fischzucht) und Hydroponik (erdfreie Pflanzenzucht) zusammen. Einfach gesagt ermöglicht diese Technik eine Doppelnutzung von Wasser, Nährstoffen, Energie und Fläche bei der kombinierten Produktion von Fisch und Tomaten. Das aufbereitete Fischwasser dient dabei als Dünger für die Pflanze. Das komplexe, geschlossene System (Hygiene ist absolute Pflicht, ansonsten das System kollabiert!) ermöglicht eine „emissionsfreie Tomaten- und Fisch- Produktion“. Stolz verwenden die Wissenschaftler den Slogan „vom Labor direkt auf den Markt“.

Vom chemisch-/biologischen Standpunkt her ein wirklich faszinierendes Konzept. Das INAPRO-System soll gegenüber seinen Vorläufern einen signifikanten Fortschritt darstellen. Obwohl ich nicht vom Fach bin, erahne ich die Komplexität der Anlage, welche als geschlossenes System funktionieren soll – wahrlich eine technische Meisterleistung!

Vor dem Hintergrund der immer noch dramatisch ansteigenden Weltbevölkerung, der Ressourcenknappheit und des Klimawandels ein Segen! Zehn Milliarden Menschen lassen sich nun spielend leicht mit Tomatenfischen satt kriegen – dafür opfern wir nur eine bescheidene Menge Land. Und wenn das auch nicht mehr ausreicht, bauen wir die Anlagen einfach mehrstöckig und multiplizieren den Output mit Leichtigkeit – dann sollte die produzierte Kalorienzahl auch für 15 oder gar 20 Mitmenschen reichen!

Doch ist das nun wirklich so erstrebenswert? Keimfreie Labor-Tomatenfische, garantiert geschmacksneutral als Heilsbringer? Man kann mir nun durchaus vorwerfen, dass es für mich, angesichts dessen, dass ich keinen Hunger leide, ein leichtes sei, dieses Projekt mit einer Portion Sarkasmus zu bedienen. Ich frage mich allerdings ernsthaft, ob hier nicht das Pferd am Schwanz aufgezäumt wird?
Für mich ist das auf jeden Fall keine erstrebenswerte Zukunft, in der wir Erdenbürger, der Natur total entfremdet, uns von Tomatenfischen ernähren. Wo bleibt da die Freude, die Lust? Rechnen die (künftigen) Anlagebetreiber damit, dass sie uns mit hors-sol-Gemüse und geschmacksneutralen Früchten in den nächsten zehn Jahren soweit konditioniert haben, dass wir auch die „nächste Stufe“ der Nahrungsmittelproduktion ohne zu murren hinnehmen?
Ich wehre mich dagegen, indem ich alles was nach solchen Technologien „riecht“, boykottiere und versuche, die nächste Generation davon zu überzeugen, dass Essen nicht mit Kalorienaufnahme gleichzusetzen ist und Genussfähigkeit zu den wesentlichen Eigenschaften eines Menschen gehören!

In diesem Sinne werde ich heute mal wieder im Band 1 von Faszination Tafelfreuden blättern…

Ihr Markus Angst


Quellenangaben: http://www.hebeisen.ch/HRH-Markus-Angst ... id=3-53-58
Gruss Rolf

Rettet die Würmer, fischt mit der Nymphe!
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astacus
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Re: Die unglaubliche Geschichte des Tomatenfisches!

Beitrag von astacus »

Auquaponic-Systeme sind in mehrfacher Hinsicht genial und absolut zukunftsträchtig. Was die Wissenschaft mehr oder weniger neu entdeckt hat, ist in manchen Kulturen schon seit 2000 Jahren gängige und erfolgreiche Praxis, z.B. die Zucht verschiedener Karpfenartiger in Reisfeldern in Ostasien. Man gewinnt tierische Proteine und pflanzliche Kohlenhydrate bei gleichzeitiger Schonung der Umwelt durch verminderten Düngereinsatz.

Bedauerlich ist nur, dass heute leider darauf fokussiert wird, das ganze in komplett isolierten Indoor-Systemen zu betreiben. Das ist weder notwendig, noch wahnsinnig natürlich und nachhaltig.
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ForellenSimon
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Re: Die unglaubliche Geschichte des Tomatenfisches!

Beitrag von ForellenSimon »

Ohne den Autor zu kennen finde ich das einzig Gehaltvolle daran
Man kann mir nun durchaus vorwerfen, dass es für mich, angesichts dessen, dass ich keinen Hunger leide, ein leichtes sei, dieses Projekt mit einer Portion Sarkasmus zu bedienen.


Ressourceneffizienz ist in der heutigen Zeit ein höchst brisantes Thema und sollte nach meinem Ermessen nicht mit einem süffisanten Wohlfahrtskommentar abgearbeitet werden. Finde ich in etwa so geschmacksvoll, wie die beschriebenen Tomaten im Text.

Zudem verstehe ich nicht ganz wie - ohne Moderation - ein solcher Text den Weg ins Fischerforum findet.
AndreasM

Re: Die unglaubliche Geschichte des Tomatenfisches!

Beitrag von AndreasM »

eigentlich mag ich Markus Angst sehr... finde aber mit seinem Text zielt er komplett am Thema vorbei und an der genialität des Konzepts.

Schade
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Rolandus
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Re: Die unglaubliche Geschichte des Tomatenfisches!

Beitrag von Rolandus »

Fischzuchten, ob nun mit oder ohne Kombination zu Pflanzenzucht, werden oft und manchmal zurecht in Frage gestellt, gerade auch von Fischern.

Langfristig geht es aber nicht darum, ob überhaupt oder gar nicht, sondern wie nachhaltig und optimiert, tierfreundlich, biologisch etc. solche Anlagen betrieben werden.
Und da ist es doch nicht zu unterscheiden von heutigen Treibhäusern, Hühnerfarmen etc. Diese sind ja auch nicht grundsätzlich in jedem Fall schlecht.
Nur weil es völlig überdüngte, geschmacklose hors-sol Tomaten z.B. von Holland auf dem Markt gibt, heisst das noch lange nicht, dass ich keine Tomaten auf dem Markt von meinem Bio-Bauern kaufe, die auch im Treibhaus gewachsen sind.

Um in Zukunft die Ernährung nachhaltig, mit nicht all zu grossen Tansportwegen sicherzustellen, faszinieren mich Themen wie UrbanFarming, Aquaponic, Oeko- und Bio und Forschungen in diesen Bereich sowieso.
Da ist gerade am Anfang nicht alles Gold und perfekt, aber es sind Schritte in eine Richtung, die wir nicht umkehren können. Denn wir können einfach nicht alle nur Fisch aus dem Meer und Tomaten weit vom Süden her kaufen, das geht lagnsfristig nicht auf.
Ich habe mich deshalb auch schon postitiv zu Fischzuchten und z.B. zu Anlagen wie diejenigen in Kandersteg und am Gotthard Nordportal geäussert, im vollen Bewusstsein, dass dort nicht alles perfekt, 100% oeko und toll ist.
Aber es sind Ideen und gute Anfänge für etwas, was in vielen Jahren zum Muss wird und dann hoffentlich in einer gescheiten Art.

Wie Astacus richtig erwähnte, gibt es solche Methoden seit tausenden von Jahren. Denken wir nur, wie genial die Chinesen die Karpfenzucht mit dem Reisanbau verbunden haben. Es muss tatsächlich nicht unbedingt indoor in geschlossenen Kreisläufen gemacht werden. Die Natur selbst gibt uns viele Beispiele wie Fische und Tiere überhaupt in Symbiose leben und der eine dem andern Nahrung überlässt etc.
Und genial an der Idee ist ja, dass das Abwasser aus der Fischzucht nicht gereinigt werden muss (oder die Umwelt verschmutzt), sondern dieses selbst durch die Pflanzen und Bakterien gereinigt wird.

Der Begriff und die Abkürzung, die im Artikel erwähnt wird, ist ja schon etwas technisch und Abschreckend. Aber für die gleiche Sache gibt es im Laufe von Moden immer neue Begriffe oder Teilbegriffe.
Man verwendet auch den Begriff "Polykultur", wenn in Zuchten mehrere Fischarten zusammen vorkommen. Das hat die Natur längst begriffen :lol:
Und das Zusammenwirken von vielen Tierarten und Pflanzen gibts auch schon lange als Begriff, nämlich als Oekosystem.....
siehe hier: https://www.google.ch/url?sa=t&rct=j&q= ... 0786,d.ZGU

Ich empfehle also Markus Angst nicht vorwiegend seinem Nachnamen zu folgen, sondern diesen Dingen eine Chance zu geben und Hoffnung zu haben auf nachhaltige, tierfreundliche und gesunde Ernährung in gescheiten produktionen vor Ort für alle Menschen.
ROLANDUS
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