Hoch in den Bergen leben die Fische die längste Zeit ihres Lebens unter dem Eis:
Es gibt Jahre mit viel und Jahre mit wenig Schnee. Die eisfreie Zeit hängt von der Schneemenge ab. Dieser Beitrag ursprünglich aus dem Jahre 2009 wiederspiegelt ein sehr schneereiches Jahr. Entsprechend war damals der hochgelegene See Anfang Juni mit gut 3 m Schnee und Eis bedeckt. Ganz anders die Verhältnisse im Jahre 2011. Zur selben Jahreszeit am See oben sind schon viele offene Stellen zu finden und erstmals habe ich mit einer Unterwasserkamera durch diese Stellen Einblicke unter dem Eis gesammelt. Wenn ein Fisch den Köder sieht, ist er noch nicht gefangen! Es hat Freude gemacht zuschauen zu können was da so abläuft. Leider wird es in diesem Jahr nicht mehr möglich sein weitere Aufnahmen vom Eis aus zu machen. Zu schnell war diesmal die Schmelze. Mit diesen ersten Bildern und angepassten Textpassagen ist nun der ältere Beitrag neu aufgepeppt - viel Spass!
Auch unter dem Eis sind unsere Salmoniden aktiv auf Nahrungssuche.
Diese Namaycush konnte der Mormyschka nicht wiederstehen
Endlich ist die Zeit reif um wieder hoch in die Berge zu gehen. Und weil der Sommer in den Bergen spät Einzug hat gehören Eisbohrer, Schneeschaufel und Schneeschuhe zur Ausrüstung dazu. Der Aufstieg um diese Jahreszeit ist eine Zeitrafferwanderung der Jahreszeiten vom jungen Sommer zum Frühling in den Winter zurück. Tatsächlich treffen wir den See hochwinterlich an. Nicht was die Temperaturen betrifft, aber der Schneestand ist nach dem schneereichen Winter aussergewöhnlich hoch. Der See ist nicht mit einer gleichmässigen Schneedecke überlagert, sondern mit Schneeverwehungen eingedeckt.
Lawinen und Schneeverwehungen weisen auf viel Schnee hin
Zelt auf dem Schnee
Es ist schon spät und das Wetter unsicher. Also wird erstmal das Zelt auf dem See aufgestellt. Wir werden zwei Nächte hier oben bleiben. Zelten auf tiefem Schnee bietet einen angenehmen Vorteil, denn man kann sich im Eingangsbereich einfach eine bequeme Sitzgelegenheit freischaufeln. Doch kaum steht das Zelt in seiner vollen Schönheit, wollen immer heftigere Windböen aus unvorhersehbaren Richtungen die Unterkunft zunichtemachen. Bewaffnet mit der Schneeschaufel werden nun bei einsetzendem Regen die Heringe an den Abspannleinen tief im Schnee versenkt, fest eingestampft und vergraben, dann wird noch ein Schneewall als Windschutz ums Zelt gelegt - Bergwetter eben. Das Fischen kann warten. Nach getaner Arbeit gibt es nun dafür im Schutze der Apsis das ideale Schlechtwetteressen: ein Fondue - hier oben schmeckt es am besten! Auch kein Problem den Weisswein kühl zu stellen. Nach so einem Essen übersteht man eine stürmische Nacht im Zelt problemlos - wenn alles gut verankert ist . Und wie so oft bei gewittriger Wetterlage ist der Morgen eine Pracht: blauer Himmel windstill und warmer Sonnenschein begrüssen uns. Also los auf und fischen! Aber nichts da, zuerst muss ein Loch her!
Erst die Arbeit…
Es wird eine tiefe Stelle der Schneeverwehungen ausgewählt und mit der Schneeschaufel das Oberflächenwasser kreisförmig freigelegt und dann weiter runter bis zur tiefer liegenden ersten Eisschicht den nasse feste Schnee ausheben. Nun erst kommt der Eisbohrer zum Einsatz. Nach der oberen ersten Eisschicht kommt er rasch auf Tiefe. Er muss aber regelmässig hochgezogen werden, damit der Schneematsch ausgetragen wird. Sonst wäre er bald festgefahren. Bald schon kommt die Handkurbel trotz der eingesetzten Verlängerungstange von gut einem Meter extra, ins Wasser. Die zweite Verlängerung in Form der hochgekrempelten Arme muss diesmal also zum Einsatz kommen – es ist ja warm (…stimmt das Wasser ist es nicht!). In diesem Bereich kommt normalerweise spätestens die letzte Eisschicht. Da das Körpergewicht über dem oberen Griffteil aufgestützt auf dem Bohrer liegt eine etwas heikle Sache, weil beim plötzlichen Durchstossen der Oberkörper im Wasserloch einzutauchen droht. Also wird der Kopf als drittes Standbein knapp über der Wasseroberfläche am Schneerand fest angepresst. Doch heute kommt der Durchstoss nicht. Wenn die Brust auf die Höhe der Wasseroberfläche kommt, kann nur noch mit mühsamer Einarmbedienung ein kleinwenig tiefer gebohrt werden....
doch, doch ganz zuunterst ist der Eisbohrer!
Oh je was nun? Erinnerungen an die erste Eisbohrertour werden wach. Damals versagte der Eisbohrer mit seiner Bohrtiefe von 1.5 m jämmerlich. Zwar haben wir damals mit festen Riemen den Bohrer mit einem Ski auf beachtliche 2.8 m verlängern können, aber der tief stehende Kurbelteil verunmöglichte schliesslich ein Weiterkommen auf dem harten Eis im unteren Teil der Schichten. (..und der Ski hatte danach andere Fahreigenschaften…). Diese Erfahrung hatte mich gelernt dass ein Hochgebirgsee in unseren Alpen sehr dicke Schneeschichten haben kann. Die bisher dickste Schicht war einmal 3.5 m ab Wasserfläche. Da auch dieses Jahr viel Schnee gefallen ist nahm ich ja auch ein Verlängerungsstück mit. Nun fehlt eben das zweite das zuhause blieb… Aber wir haben ja die Schneeschuhe da, also ran damit und festgezurrt. Doch bald kommt erneut dieselbe Situation: einarmig kann der Schneeschuh unter Wasser nicht mehr kraftvoll den Eisbohrer vorantrieben. Auch scheint der Kurbelteil unten auf hartes Eis zu treffen. Viel kann nicht mehr fehlen. Damit es tiefer geht werden mit dem Eisbohrer in der Tiefe rund um das zu enge Eisloch weitere kurze Löcher angebohrt und dieses so ausgeweitete. Erneut wird einarmig gebohrt und es geht voran. Lange schon ist der kurze Ärmel vom T-Shirt nass. Muss wohl den zweiten Schneeschuh anschnallen? Doch nochmals tief Luft holen und so tief es geht den Eisbohrer eindrehen und plötzlich geht er ganz leicht tief. Bin ich durch?
Was läuft da oben ab?
Erstmal Pause. Arm abtrocknen und aufwärmen. Ausser dem Arm selbst bin ich eher überhitzt und das warme Blut hilft rasch mit, diese Verlängerung vom Eisbohrer wieder aufzuwärmen. Das Nachmessen (mit Arm) ergibt eine Tiefe von 3.2m ab Wasseroberfläche bis zum unteren Eisrand.
Das Eisbohrergestänge mit Verlängerung hat 2m bis zum ersten Kurbelknick.
Ein tiefes Loch muss gründlich vom Schneematsch befreit werden bevor ein Köder eingelassen werden kann. Immer wieder auf und ab mit dem Bohrer, das hält fit. Nach jeder dieser Kaminfegeraktion wird schaufelweise Schneematsch aus dem Wasser geholt, damit der nachkommende Matsch nach oben aufsteigen kann.
…dann das Fischen
Die kurzen Ruten werden mit grosser Vorfreude bereitgestellt. Bestückt mit einer Laufrolle oder einer kleinen Multirolle lässt sich gut in der Vertikalen fischen. Als Köder wähle ich ein Eigenbau einer eher schweren Mormyschka, die auch testen wird ob das Loch durchgehend ist.
Vorerst geht es gar nicht. Nach zwei weiteren Putzaktionen immer noch nicht. Aber ich bin doch durch? Nochmals muss der T-Shirtärmel eintauchen und in der Tiefe den Bohrkopf auf und ab und…brrr - uff! Erneut den Schneematsch von der Oberfläche räumen - warum mache ich das bloss?
Wieder lasse ich die Mormyschka runter gleiten sie bleibt hängen, etwas anheben und tiefer gleitet sie: zwei Meter drei, vier ja! ab zu den Fischen.
Stell dir vor du bist ein Fisch. Im dämmerigen Licht schwimmst du umher und suchst nach Nahrung. Der Winter dauert eine kleine Ewigkeit. Dein Fett vom Sommer nimmt allmählich ab, einmal weil du mühsam am Boden Zuckmückenlarven und Erbsenmuscheln ausbuddeln musst,…
“Was buddelst du da“ ? „Der Fotograf hat die Anweisung gegeben!“ „Und das machst du freiwillig“?
…aber vor allem auch, weil du ja gar nicht mehr das Fressen im Kopf hast!
„Nah klar! – zur Belohnung darf ich jetzt mit dir was ganz schönes machen….“
Nun bist du also zu tollem Sex gekommen und hast bestimmt tüchtig für Nachwuchs gesorgt
Wenn der Bachsaibling mit dem Seesaibling erfolgreich liebestoll war so gibt es herrliche Elsässersaiblinge. Der ist ja toll gewachsen - hält sich aber nicht an die Anweisung vom Fotograf (bitte in Kamera lächeln!)
Und jetzt hast du grossen Hunger! Du hörst es an der Decke rumpeln und rumoren, war da ein Fluchen zu hören? Plötzlich strahlt helles Licht von oben herab. Ein Wunder! Neugierig gehst du hin. Da kommt also so ein kleines glänzendes etwas herunter. Es erinnert dich an eine Köcherfliegennymphe, die um diese Zeit allmählich hervorkommen und Wege aus dem Wasser suchen. Ja komm, schnapp zu!
Hmmm… da hinten bewegt sich was - das muss ich mir genauer anschauen.
Das glitzert so lecker!
Endlich mal ein ordentlicher Happen, statt das immergleiche Kleinzeug‘s!
Aug in Aug. Moment mal…
Neh neh, den kenn ich doch!
Tschüss alpfish - nicht mit mir!
Aber wo bist du? Ich lasse die Mormyschka jetzt schon zwanzig Minuten herumtanzen und nichts ist passiert. Das ist eher unüblich. Soll ich wirklich? Na was denn, wir sind ja den ganzen Tag oben und haben den Fisch für das heutige Essen fest eingeplant… Aber erst gibt’s eine Zwischenverpflegung. Eisbohren braucht Zeit, Kraft und macht hungrig!
Auswahl geeigneter Köder. In der Mitte rechts die Mormyschka, zuunterst ein Leuchtkörperköder mit integrierter Batterie und Licht, sehr gut in der Dämmerung.
Zweites Loch, neue Hoffnung
Erst wird mass am Eisbohrer genommen, wir lassen die Mormyschka gerade etwas unter dem Eisrand tanzen. Nicht selten suchen Fische direkt unter der Eisfläche Nahrung. Quasi die winterliche Version vom Trockenfliegenfischen. Nichts rührt sich. So lassen wir den Köder auf den Boden absinken. Rasch anheben, Kontakt aufnehmen.
Oft kommt ein Fisch nachschauen was da auf den Boden gesunken ist.
Unregelmässig lassen wir die Imitation leicht über dem Grund spielen. Ab und zu in den Boden absinken lassen, die aufgewirbelten Sedimente locken den Fisch. Nach einiger Zeit wechseln zur Aufsteigphase: langsam mit ganz kleinen Zuckungen lassen wir die Mormyschka steigen, öfters kurz stehen lassen, leichtes vibrieren. Ein natürlicher Weg vieler Insektenlarven.
Angelockt, etwas unschlüssig wird der Köder umrundet …
Mit der Zeit fühlt man genau wie der Köder auf die unterschiedlichen Impulse reagiert, wird ein anderes Verhalten als erwartet auch nur schon vermutet erfolgt sofort ein sanfter Anhieb. Geht der ins Leere, lässt man bei Verdacht den Köder länger auf derselben Höhe spielen, geht vielleicht nochmals etwas tiefer um dann wieder langsam aufzusteigen.
Attacke!
Obs!.. so ist es richtig - der Anhieb ist erfolgt bevor man sich bewusst darüber ist:
Hast du doch Lust bekommen die Köcherfliegennymphe zu futtern. Aber etwas ist da schief gelaufen. Du versuchst zu fliehen, das helle Loch zerrt dich immer näher und da passt du ganz hinein. Des einen Pech, des andren Glück:[/color]
und schwups aus dem Loch ans Licht mit dem Seesaibling!
Ab in die Pfanne
Und schon bald findest du dich in filetierter Form mit einem deiner Kollege zum geselligen braten ein .
es riecht schon gut.
Am schattigen Sitzplatz unter der Apsis geniessen wir nun das zarte Fleisch auf Brot: Santé - und danke hast du angebissen!
Brot, etwas Zitronenmayonaise und das leicht gewürzte Fischfilet drauf.
Saiblinge sind gesellige Tiere. Wir fangen mit den kurzen Ruten manchmal einen nach dem andern. Dann wieder längere Wartezeiten. Es kommen allerlei Köder zum Einsatz. Alles was sich mit Vertikalbewegungen lockend präsentieren lässt findet seinen Fisch - irgendwann. Das aktive Fischen macht viel mehr Spass als einen Naturköder ins Wasser zu hängen, und ein bewegter Köder ist ein Mehrfaches fängiger!
Bald steht ein kleiner Vorrat für die kommenden Tage im idealen Kühlschrank zur Verfügung.
Fazit
Eisfischen im Hochgebirge ist ein Krampf! Ganz besonders wenn viel Schnee gefallen ist. Aber das schöne daran ist, dass man das nach dem meist erfolgreichen Fischen auch gleich schon wieder vergessen hat.
Flotte Gesellschaft, schönes Wetter und ein par durchgehende Löcher – be happy.
Und unter dem Eis warten noch viele schöne Fische auf den warmen Sommer - auf bald.